GERHARD RICHTER. VERBORGENE SCHÄTZE

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WVZ-17, Gerhard-Richter, Schaerzler, 1964, Öl auf Leinwand, 100x130 cm, Privatsammlung Essen, © Gerhard-Richter, 2024-0028-1

Mehr als 120 Arbeiten aus allen Schaffensphasen und Werkgruppen Gerhard Richters vereint die große Herbstausstellung am Düsseldorfer Kunstpalast. Bei vielen der ausgewählten Arbeiten handelt es sich um Verborgene Schätze: Werke aus Privatsammlungen, die zuvor selten oder sogar noch nie öffentlich gezeigt wurden. In der umfassendsten Gerhard-Richter-Ausstellung in Deutschland seit über zehn Jahren geben diese Arbeiten Einblick in das gesamte Spektrum seiner Kunst von den Anfängen in den frühen 1960er Jahren bis in die jüngste Vergangenheit.

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2017 Gerhard-Richter im Albertinum Dresden | Foto: David Pinzer

Gerhard Richter (*1932) zählt weltweit zu den bedeutendsten Künstlern der Gegenwart. Seit über 60 Jahren lotet er die Grenzen der Malerei aus. In seiner Wahlheimat – dem Rheinland – fand Richters Werk ein ideales Umfeld, um sich zu entfalten. Hier traf er auf Gleichgesinnte wie Sigmar Polke und Günther Uecker, Vorbilder und Reizfiguren wie Joseph Beuys und schließlich auch auf eine so neugierige wie umtriebige Sammler*innenschaft, die sich rund um die jungen Galerien in Düsseldorf und Köln gebildet hatte. Für die aktuelle Ausstellung im Kunstpalast holt diese nun ihre Schätze aus dem Verborgenen hervor.

„Ich bin sehr dankbar für die Bereitschaft der Sammlerinnen und Sammler, uns ihre Werke Richters vorübergehend anzuvertrauen: Gemälde, die aus den privaten Wohnzimmern oder Büros der Leihgebenden stammen und hier zum Teil erstmalig öffentlich gezeigt werden können. Selbst für diejenigen, die Richters Œuvre bereits gut kennen, wird es unter den normalerweise verborgenen Schätzen aus rheinischen Privatsammlungen Neues zu entdecken geben!“, so Felix Krämer, Generaldirektor Kunstpalast.

Gerhard Richter nahm wenige Monate nach seiner Flucht in den Westen 1961 ein Studium an der Kunstakademie in Düsseldorf bei Ferdinand Macketanz auf und wechselte später zu Karl Otto Götz. Die Stadt „war ungeheuer aufregend mit all den Ausstellungen und Veranstaltungen, den vielen Künstlern“, erinnerte sich Richter im Jahr 2004. „Und dann kam der große Glücksfall, dass ich dort an der Akademie die richtigen Freunde fand, also Sigmar Polke, Konrad Fischer und Palermo, wir erlebten alles gemeinsam, die ersten Happenings, die Fluxus-Auftritte, die schon eine ungeheure Wirkung hatten.“

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Gerhard Richter, Blumen, 1977, Öl auf Leinwand, 40×50 cm, Privatsammlung, © Gerhard Richter, 2023

Im Rheinland begegnete Gerhard Richter nicht nur Künstlerkollegen, sondern auch einer neuen Generation von Sammler*innen, die nicht mehr ausschließlich für private Haushalte sammelten, sondern ab den 1970er Jahren deutlich expansivere Maßstäbe anlegten. Der Düsseldorfer Galerist Alfred Schmela lud Richter 1964 zu seiner ersten Einzelausstellung ein und verschaffte ihm in den folgenden Jahren, um das Geschäft anzukurbeln, zahlreiche Porträtaufträge von Sammler*innen des Rheinlandes. 1968 stellte Rudolf Zwirner ihn erstmals in seiner Kölner Galerie aus, wo der Sammler Peter Ludwig sich zum Kauf von Ema (Akt auf einer Treppe, 1966) und dem monumentalen Gemälde Fünf Türen (1967), entschloss. 1972 erwarb Ludwig schließlich alle 48 Porträts, Richters Beitrag zur Biennale di Venezia, noch während diese im Deutschen Pavillon in Venedig ausgestellt waren.

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WVZ 503; Abstraktes Bild, 1982, Öl auf Leinwand, 200×140 cm ohne Rahmen, © Sammlung Stiftung Gerhard-Richter, 2024-0028-1

Richters erste institutionelle Ausstellung 1969 im Aachener Kunstverein Gegenverkehr etablierte einen besonders aktiven Aachener Sammlerkreis. Im Jahr 1970 richtete ihm Konrad Fischer, der unterdessen in Düsseldorf eine erfolgreiche Galerie eröffnet hatte, die erste Einzelausstellung aus. 1973 erwarb der Sammler Hans Grothe einen Block von zwölf Gemälden, die Gerhard Richter selbst für ihn zusammenstellte, darunter das dreiteilige, 450 cm breite Landschaftsgemälde Alpen II (1968) und Ausschnitt (Makart) von 1971, die beide in der Ausstellung Verborgene Schätze zu sehen sind.

Das Rheinland war für Richter aber auch ein Ort, der ihm als Labor für experimentelle Präsentationsformen diente. Hier stellte er erstmalig besondere und manchmal auch kontroverse Werkreihen vor und konnte die Reaktion des Publikums und der Sammler*innen beobachten. So präsentierte er 1974 im Museum Abteiberg eine Ausstellung mit ausschließlich grauen Bildern und 1989 den so genannten RAF-Zyklus 18. Oktober 1977 in Krefeld.

Neben den institutionellen Ausstellungen fanden im Rheinland viele selbst organisierte Formen des Ausstellens statt, die mit den Konventionen der Vorgängergenerationen brachen und Neues erprobten. Für einen Düsseldorfer Auftritt mietete Richter mit seinen Künstlerfreunden 1963 einen leerstehenden Verkaufsraum und zeigte die Ausstellung Leben mit Pop – eine Demonstration für den kapitalistischen Realismus. Hier präsentierte er das Werk Party, das er später seinem Ateliernachbarn Günther Uecker schenkte. Nicht selten kamen auf diese Weise Werke in Privatsammlungen. Das Kissenbild von 1970 fand den Weg zu Gotthard Graubner: Mit diesem Werk persifliert Richter auf liebevolle Weise die Kissenbilder des Künstlerkollegen. Das kleine Format und die Zugewandtheit weisen darauf hin, dass das Gemälde von vornherein als Geschenk für seinen Freund gedacht war.

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WVZ-288, Gerhard Richter, Ausschnitt Makart, 1971, Öl auf Leinwand, 200×200 cm © Gerhard-Richter, 2024-23042024, Foto: Kunstmuseum Bonn, Reni Hansen

„Die Ausstellung ermöglicht einen Einblick in die engen Beziehungen Richters zu Künstlerkollegen und Sammlerinnen und Sammlern des Rheinlandes, die ihn seit den frühen 1960er Jahren begleitet und mit ihren Ankäufen in der internationalen Kunstwelt verankert haben.“, so Markus Heinzelmann, Kurator der Ausstellung und Professor für Museale Praxis an der Ruhr-Universität Bochum.

Manchmal verließen Werke im Tausch gegen erbrachte Leistungen das Atelier von Richter. Der Steuerberater und Kunstsammler Willi Kemp erhielt aus Dank für einen kleinen Gefallen, den er dem Künstler getan hatte, eine Arbeit. Als Entlohnung für seine Dienste bekam auch Richters Mitarbeiter Ludger Schäfer ein Werk.

In den 1980er Jahren treten große Firmen an die Seite der klassischen privaten Sammler*innen. Die Victoria Versicherung (heute ERGO) erteilt Richter den Auftrag über zwei große Gemälde für den Empfangsbereich ihrer Zentrale: Victoria I und II, jeweils sechs Meter hoch und vier Meter breit. Diese Werke können im Foyer des direkt neben dem Kunstpalast gelegenen Firmengebäudes als Teil der aktuellen Schau von allen Museumsbesucher*innen im Anschluss an den Ausstellungsrundgang kostenfrei besichtigt werden.

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WVZ-80-1, Gerhard Richter, Hundekopf Lassie, 1965, Öl auf Leinwand, 45×42 cm, Olbricht Collection, © Gerhard Richter, 2023-0225

Die Sammlung Haniel erwirbt drei abstrakte Bilder, mit denen sie ihre Kollektion informeller Werke aus der Nachkriegszeit in die Gegenwart fortführt. Die Henkel AG, die Hypo Bank Düsseldorf, die Bayer AG und viele andere erwerben repräsentative Arbeiten oder geben sie in Auftrag.

Seit den frühen 1990er Jahren sammelt Thomas Olbricht Werke von Gerhard Richter, darunter befinden sich herausragende Gemälde von den frühen Fotobildern bis zu den letzten abstrakten Arbeiten aus dem Jahr 2017. Sein „Markenzeichen“, wie er selbst sagt, sind die Editionen. Olbricht ist der einzige Sammler, der sämtliche Editionen von Gerhard Richter besitzt und häufig der einzige nicht-institutionelle Sammler.

Im Rheinland hat das Sammeln von Kunst eine lange Tradition. Schon früh waren damit strategische Absichten verbunden, die den Zusammenhalt der eigenen Sammlung im Blick hatten und den eigenen Namen in der Geschichte verankern sollten. Dabei traten in den Jahren, als frühe Sammler*innen sich aus finanziellen Gründen zurückzogen, die großen Konzerne in den Vordergrund, für die Richter bedeutende Auftragsarbeiten plante und realisierte. Die Führung des systematischen Werkverzeichnisses seiner Gemälde übte dabei auf Sammler*innen eine besondere Attraktivität aus und nimmt einen Status zwischen Dokumentation und Werk ein.

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Gerhard Richter, Abstraktes Bild, 2017, Öl auf Leinwand, 155×150 cm, Olbricht Collection, © Gerhard-Richter, 2024-0064

Mit rund 120 Werken ermöglicht die Schau im Kunstpalast nun einen Überblick über das gesamte Œuvre Richters von den frühen 1960er Jahren bis hin zu seinen letzten Gemälden, die das Atelier 2017 verlassen haben. Die gezeigten Werke wurden von engagierten Sammler*innen und seit den 1980er Jahren auch von großen Unternehmen erworben, zum Teil mit Künstlerkollegen getauscht. Viele der Arbeiten wurden über die Zeit an eine jüngere Generation weitergegeben, welche die Sammeltradition im Rheinland bis heute aktiv weiterführt. Dabei liegt der Schwerpunkt der Ausstellung auf der Gattung Malerei: Mehr als 80 Gemälde führen die Besuchenden von den ersten, schwarz- weißen Fotobildern, den strengen Farbtafeln und grauen Bildern zu den monumentalen Landschaften, den weichen und freien Abstraktionen bis zu den letzten ungegenständlichen Arbeiten. Zeichnungen, Aquarelle, Fotografien und Skulpturen sowie der einzige von Gerhard Richter gedrehte Künstlerfilm belegen den großen Reichtum der rheinischen Sammlungen und verleihen der Ausstellung retrospektiven Charakter.

Der über die Kunstpalast-App angebotene Audioguide zur Ausstellung wurde von dem aus Film und Fernsehen bekannten Schauspieler Christian Friedel (Zone of Interest) eingesprochen. Für junge Besucher*innen gibt es außerdem eine maßgeschneiderte Tonie-Tour, die Kids ab drei Jahren mit spannenden Geschichten an die Werke Richters heranführt.

Gerhard Richter. Verborgene Schätze
Werke aus rheinischen Privatsammlungen
5. September 2024 – 2. Februar 2025

www.kunstpalast.de/de/event/richter